Die Skapolithe bilden eine Gruppe von feldspatähnlichen Gerüstsilikaten der allgemeinen chemischen Formel M4[T12O24]A mit M = Na, Ca, T = Si, Al und A = Cl, CO3, SO4, die in einem ternären Mischkristallsystem mit den folgenden Endgliedern darstellbar sind:
Marialith Na4[Al3Si9O24]Cl
Mejonit Ca4[Al6Si6O24]CO3
Silvialith Ca4[Al6Si6O24]SO4
Die meisten Skapolithe gehören der binären Mischkristallreihe zwischen Marialith und Mejonit an. In Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis der beiden Endglieder Marialith (Ma) und Mejonit (Me) werden folgende Mischungsglieder unterschieden:
Marialith Me0 – Me20
Dipyr Me20 – Me50
Mizzonit Me50 – Me80
Mejonit Me80 – Me100
Skapolithe kristallisieren tetragonal und werden zumeist in Form von langgestreckten Prismen angetroffen. Sie besitzen eine vollkommene bis deutliche Spaltbarkeit und einen muscheligen Bruch. Die Härte nach Mohs beträgt 5 – 6.
Die Gerüststruktur der Skapolithe besteht aus Viererringen aus [(Si,Al)O4]-Tetraedern, angeordnet in Form von Kanälen parallel zur c-Achse. In kleineren Hohlräumen sitzen die Kationen Na+ und Ca2+, in größeren Hohlräumen die Anionen Cl-, [CO3]2-, [SO4]2-.
Der Name leitet sich vom griechischen skapos = Stab und lithos = Stein ab und wurde 1800 von dem brasilianischen Mineralogen José Bonifácio de Andrada e Silva eingeführt. Er entdeckte auf einer Reise durch Schweden mehrere Minerale, darunter auch Skapolith. Damals bezeichnete er ihn als Wernerit, zu Ehren des Freiberger Mineralogen Abraham Gottlob Werner, bei dem er eine Ausbildung zum Bergbeamten absolvierte. Seit 1997 wird der alte Name Wernerit nicht mehr geführt und Skapolith wurde von der IMA (International Mineralogical Association) als Gruppenname festgelegt.
Skapolithe sind metamorphe, z.T. metasomatische Bildungen und finden sich in Gneisen und Metabasiten (basische metamorphe Gesteine) sowie in Skarnen (Kalksilikatgesteine). Sie sind undurchsichtig bis durchsichtig, meist grau bis weiß bzw. farblos. Steine in Edelsteinqualität (Abb. 1) variieren von farblos über gelb und gelbbraun zu violett und braunviolett sowie selten rosa. Ursächlich für gelbe bis gelbbraune Farben ist dreiwertiges Eisen. Das Spektrum ist durch einen kontinuierlichen Anstieg der Absorptionskurve hin zum UV-Bereich gekennzeichnet mit einer Absorptionsbande bei 380 nm und einer Schulter bei 420 nm. Das Absorptionsspektrum der violetten Skapolithe ist durch eine breite Bande mit Maximum bei 550 nm charakterisiert, die auf Farbzentren zurückgeführt wird, speziell SO3- oder CO3--Zentren. Die Farbstabilität liegt bei ca. 350 – 400°C, bei höheren Temperaturen werden violette Skapolithe farblos.
Farblose Skapolithe werden in Sri Lanka, Burma und Afghanistan gefunden, gelbe bis gelbbraune in Brasilien, Madagaskar, Tansania, Mosambik, Sri Lanka, Indien und Tadschikistan (Pamir), violette in Tansania, Afghanistan und Tadschikistan (Pamir) und rosafarbige in Burma. Gelbe Skapolithe sind schwach pleochroitisch und zwar gelb/farblos, während violette Exemplare meist einen kräftigen Pleochroismus von violett nach farblos besitzen (Abb. 2).
Spezielle optische Phänomene sind Katzenaugen und selten Sternsteine (Abb. 3) sowie aventurisierende Exemplare. Katzenaugen sind meist farblos und aufgrund dichter Scharen parallel zueinander orientierter nadel- bis leistenförmiger Einschlüsse meist getrübt. Besitzen die Einschlüsse eine Eigenfarbe, z.B. Goethit, Lepidokrokit oder Pyrrhotin, weisen Skapolith-Katzenaugen rötlich-braune bis rotbraune, bräunlich-orange sowie gelbbraune Farben auf. Vorkommen sind Sri Lanka, Tansania, Kenia, Madagaskar und Indien. Violette Skapolith-Katzenaugen stammen aus Burma und Afghanistan, pinkfarbige aus Burma. Rötlich-braune Sternskapolithe, z.B. aus Tansania und Sri Lanka, sind eigentlich Katzenaugen mit einem zusätzlichen vierstrahligen Stern. Wie in Abb. 3 ersichtlich, dominiert die Lichtlinie vom Katzenauge und zwei schräg dazu verlaufende schwächere Lichtlinien ergänzen das Phänomen zu einem sechsstrahligen Sterneffekt. Als Ursache für die rötlich-braune Farbe werden die orientiert eingelagerten Einschlüsse (Lepidokrokit) angegeben. Das Aventurisieren und die orange Farbe vereinzelter Skapolithe aus Tansania ist auf Einschlüsse von Hämatit zurückzuführen.
Lichtbrechung, maximale Doppelbrechung und Dichte variieren deutlich in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung:
no = 1,539 – 1,600
ne = 1,531 – 1,565
Δn = 0,008 – 0,035
D = 2,50 – 2,80 g/cm3
Die Abhängigkeit der Lichtbrechung und maximalen Doppelbrechung vom Marialith- bzw. Mejonit-Gehalt ist in Abb. 4 graphisch dargestellt und erlaubt eine relative Abschätzung der chemischen Zusammensetzung.
In Tabelle 1 im Anhang sind die chemische Zusammensetzung im Vergleich zu Lichtbrechung, maximaler Doppelbrechung und Dichte ausgesuchter Skapolith-Proben zusammengefasst. Die höchsten Lichtbrechungswerte für Skapolithe in Edelsteinqualität wurden bei gelben Steinen aus Kenia gemessen, die zudem eine sehr hohe Doppelbrechung aufweisen:
ne = 1,549
no = 1,590
Δn = 0,041
Die niedrigsten Werte wurden bei violetten Skapolithen aus Tansania bestimmt:
ne = 1,531
no = 1,539
Δn = 0,008
Skapolithe zeigen eine zumeist deutliche Fluoreszenz unter langwelliger und kurzwelliger ultravioletter Strahlung. Ursächlich für die Fluoreszenz sind Schwefelzentren der Form (S2)-, die typischen Fluoreszenzfarben sind in Tabelle 2 im Anhang aufgelistet. In Abb. 5 und 6 ist das Fluoreszenzverhalten von violettem und rosafarbigem Skapolith dargestellt.
Farblose Skapolithe aus Afghanistan können Photochromismus (Tenebresenz) zeigen, d.h. durch UV-Bestrahlung färben sie sich blau (Abb. 7). Der Effekt ist unter kurzwelliger ultravioletter Strahlung stärker als unter langwelligem UV. Photochrome Skapolithe aus Afghanistan weisen zudem eine kräftige Fluoreszenz auf.
Häufige Einschlüsse in Skapolith sind parallel zur c-Achse des Wirtkristalls eingelagerte längliche Einschlüsse, bei denen es sich entweder um Kristallnadeln, röhren- bis leistenförmige Hohlräume mit kristalliner oder fluider Füllung oder Spaltleisten handelt. Weiterhin können Mineraleinschlüsse und Fluideinschlüsse in Form von Heilungsrissen auftreten. Abb. 8 und 9 zeigen exemplarische Einschlussmerkmale von Skapolithen sowie Skapolith-Katzenaugen und Sternskapolith.
Autor
Dr. Ulrich Henn, DGemG
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