Blog der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft

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Deutsche Gemmologische Gesellschaft e.V.
Prof.-Schlossmacher-Str. 1
D-55743 Idar-Oberstein

 

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Für alle Beiträge behält sich die Deutsche Gemmologische Gesellschaft (Deutsche Gesellschaft für Edelsteinkunde) e.V. sämtliche Rechte vor, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung in andere Sprachen und der photomechanischen Wiedergabe. Die veröffentlichten Beiträge stellen – soweit namentlich bezeichnet – die Auffassung der Autoren dar und geben nicht notwendig die Meinung von Herausgeber und Schriftleitung wieder. (Content of this journal may not be reproduced in any form without the permission of the German Gemmological Association. Opinions expressed do not necessarily reflect the views of the Association.)

Abb. 1: Collier mit Galalith, Art Déco, Sammlung und Foto: Industriedenkmal Jakob Bengel, Idar-Oberstein

 Kunststoffe sind künstlich hergestellte Werkstoffe, die aus polymerisierten Kohlenwasserstoffen bestehen. Umgangssprachlich wird oft der Begriff Plastik verwendet, der sich vom griechischen plastikos = formbar ableitet. Dies bezieht sich auf die Plastizität (Formbarkeit) der Materialien bei der Verarbeitung, d.h. sie lassen sich gießen, pressen etc. Die Herstellung von Kunststoffen basiert auf den chemischen Prozessen Polymerisation oder Polykondensation, bei denen unter Verwendung von Katalysatoren monomere Kohlenwasserstoffe zu Polymerketten verbunden und z.T. vernetzt werden.

Hinsichtlich ihrer mechanisch-thermischen Eigenschaften werden folgende Kunststoffe unterschieden:

  • Thermoplaste bestehen aus nicht vernetzten Polymerketten und werden bei Erwärmung weich und formbar (plastisch).
  • Elastomere bestehen aus schwach vernetzten Polymerketten. Sie sind durch Druck oder Dehnung verformbar und nehmen danach wieder ihre ursprüngliche Form an (Elastizität).
  • Duroplaste sind stark vernetzt und durch Erhitzen nicht verformbar und nur mechanisch bearbeitbar. Sie sind meist hart und spröde.

Die Entwicklung von Kunststoffen begann Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu Beginn waren es natürliche Grundstoffe, speziell Kautschuk, die durch Erhitzen und Zugabe von Schwefel zu Gummi verarbeitet wurden. Dieser als Vulkanisation bekannte Prozess wird seit 1850 für die Herstellung von Hartgummi verwendet. Material, das u.a. für Schmuckzwecke Verwendung fand, erhielt den Namen Ebonit. In den 1850er Jahren entwickelte sich die Herstellung von Zelluloid und führte Ende der 1860er Jahre zur kommerziellen Produktion dieses Kunststoffes auch für Schmuckzwecke, speziell als Imitationen für Perlmutt (sogenanntes „Perloid“), Elfenbein, Schildpatt, Bernstein, Koralle und Lapis lazuli. 1887 folgten Galalith (Kunsthorn) und 1907 Bakelit, die für die Modeschmuckherstellung zur damaligen Zeit, speziell Jugendstil und Art Déco, von Bedeutung waren (Abb. 1). Eingesetzt wurden diese Kunststoffe in erster Linie als Imitationen für Elfenbein und Bernstein, aber auch für Türkis, Lapis lazuli, Koralle und Onyx.

Die Entwicklung der Kunststoffchemie im 20. Jahrhundert führte zu einem breiten Angebot an Materialien, die als Imitationen von sowohl undurchsichtigen als auch durchsichtigen Edel- und Schmucksteinen Verwendung finden (Abb. 2).

Es ist naheliegend, dass insbesondere Bernstein als natürliches Harz mit diversen Kunststoffen bzw. Kunstharzen imitiert werden kann und somit eine besondere Herausforderung in der gemmologischen Untersuchungspraxis darstellt. Eine Übersicht der im Schmuck- bzw. Modeschmucksektor verwendeten Kunststoffe gibt Tabelle 1 und beinhaltet Namen, Handelsnamen, Charakteristika und Verwendung der jeweiligen Materialen.

 

Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass alle bekannten Edel- und Schmucksteine mit Kunststoffen imitiert werden können, im Speziellen sind in der gemmologischen Diagnostik folgende Produkte immer wieder aufgefallen:

  • Imitationen für undurchsichtige Edelsteine: Türkis, Lapis lazuli, Jade, Karneol, Onyx, Achat, Opal („Pastoral“).
  • Imitationen für organische Substanzen: Perlen, Perlmutt, Koralle, Elfenbein, Bernstein, Gagat.
  • Imitationen für durchsichtige Edelsteine: Diamant, Rubin, Smaragd, Turmalin, Amethyst, Feueropal etc.

 

Abb. 3TS Hohlkanäle Topas Katzenaugen x40 Fov5.34mm logo Zeichenfläche 1Abb. 2: Kunststoffe als Imitation für: Elfenbein (A), Bernstein (B), Perlmutt (C), Elfenbein (D) und Türkis (E) sowie für eine Muschelgemme (F). Fotos: Q. Wang

 

 

Abb. 3TS Hohlkanäle Topas Katzenaugen x40 Fov5.34mm logo Zeichenfläche 1Abb. 3: Kunststoffimitation für einen mehrfarbigen Turmalinkristall. Bereits mit dem bloßen Auge sind Gießzapfen (A) und an der Oberfläche offene Blasenräume (A) und (B) zu erkennen. Fotos: Q. Wang

 

Wichtig ist, dass Kunststoffe analog Glas und diversen synthetischen Steinen nicht nur als Nachahmung geschliffener Steine/Objekte festgestellt wurden, sondern auch in Kristallform des jeweiligen Minerals gegossen Rohsteine imitieren (siehe Abb. 3). Besondere Anwendungen in der Diagnostik sind die Bestimmung von Uhrgläsern und hierbei der Nachweis von z.B. Plexiglas gegenüber Glas oder mineralischen Materialien sowie die Untersuchung von Piercingschmuck, in dem häufig Kunststoffe verarbeitet sind.

Die Betrachtung der Bestimmung von Kunststoffen in der gemmologischen Untersuchungspraxis muss auch spezielle Behandlungstechniken einbeziehen, bei denen Kunststoffe Verwendung finden. Vgl. hierzu DGemG-Themenheft „Edelsteine und ihre künstlichen Eigenschaftsveränderungen“ (Zeitschrift der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft 2020, Heft 3/4).(Zeitschrift der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft 2020, Heft 3/4).

Im Einzelnen sind dies:

  • Kunststoffüberzüge:B. bei Korallen (schwarze Koralle, Goldkoralle), Perlen/Zuchtperlen, Imitationen für Perlen („Majorika-Perlen“, „Muschelkernperlen“), Perlmutt oder Marmor (farbige Überzüge auf Perlmutt oder Marmor), Talk (Steatit, Speckstein, Seifenstein), Smaragd (grüne Überzüge).
  • Imprägnierung mit Kunststoffen: bei porösen Materialien (z.B. Koralle, Türkis).
  • Kunststofffüllungen: Verschließen von Rissen, Löchern oder Ausbrüchen (z.B. Smaragd, Turmalin).
  • Mit Kunststoff ausgegossene, hohlgebohrte Kristalle (z.B. grüne Füllungen bei Beryllkristallen, die vorher durch Bohren ausgehöhlt wurden).
  • In eine Kunststoffmasse eingegossene Materialfragmente:B. Koralle, Türkis.

 

Charakteristika und Bestimmung

Aufgrund der Komplexität in der chemischen Zusammensetzung der diversen Kunststoffe variieren die physikalischen Eigenschaften zum Teil relativ deutlich. Die Härte von Kunststoffen wird nicht in der für Minerale üblichen Mohshärte (Ritzhärte) angegeben, sondern aufgrund der unterschiedlichen elastischen Eigenschaften mit einem Druckhärtegrad, der sogenannten Shore-Härte. Die Härteprüfung erfolgt durch Messung der Eindringtiefe eines kegelförmigen Stahlkörpers in den Werkstoff bei einer definierten Auflast. Ein direkter Vergleich mit der für Edelsteine in der Regel angegebenen Mohshärte ist schwierig. Generell kann man von einer Mohshärte zwischen 2 und 4½ bei den meisten als Imitation für Edelsteine verwendeten Kunststoffe ausgehen. Sie sind daher in der Regel leicht zerkratzbar. Bei speziellen kratzfesten Kunststoffen, wie sie z.B. für Uhrgläser verwendet werden, kann von einer Ritzhärte von ungefähr 7 ausgegangen werden. Solche Kunststoffe besitzen meist spezielle Polymervernetzungen oder Beschichtungen.

 

Abb. 3TS Hohlkanäle Topas Katzenaugen x40 Fov5.34mm logo Zeichenfläche 1Abb. 4: Kunststoffimitation für Elfenbein: in Längsrichtung der olivenförmigen Kunststoffteile sind deutlich die Gießnähte erkennbar. Fotos: Q. Wang

 

Kunststoffe zeigen das optische Verhalten amorpher Substanzen, d.h. sie sind einfachbrechend. Transparente Exemplare bleiben bei Drehung auf dem Polariskop dunkel, oft zeigen sie aber deutliche Spannungsanomalien, ähnlich wie bei Glas. Diese zeigen sich in Form dunkler Balken, die sich wie Hyperbeläste bei Drehung voneinander weg und anschließend aufeinander zu bewegen und dann die Form eines Kreuzes annehmen.

Die Werte für Lichtbrechung und Dichte variieren je nach Kunststoffart und somit je nach ihrer chemischen Zusammensetzung:

n = 1,30 – 1,70

D = 1,05 – 1,95 g/cm3

Auffällig ist die niedrige Dichte von Kunststoffen. Die meisten Materialien besitzen Dichtewerte zwischen 1,05 und 1,40 g/cm3 (vgl. Tabelle 1). Bei größeren Objekten ist deren geringes Gewicht schon in der Hand leicht feststellbar. Höhere Werte besitzt in erster Linie Zelluloid mit bis zu 1,95 g/cm3.

Grundsätzlich ist bei der Untersuchung von organischen Verbindungen, speziell Bernstein und Kopal sowie Gagat und Elfenbein Vorsicht geboten, da diese Substanzen ebenfalls niedrige Dichtewerte besitzen:

Bernstein, Kopal           1,05 - 1,10 g/cm3

Gagat (Jet)                       1,30 - 1,35 g/cm3

Elfenbein                          1,70 - 1,95 g/cm3

Minerale, d.h. im Allgemeinen anorganische, kristalline Verbindungen, zu denen der weitaus größte Teil der Edelsteine zählt, besitzen eine meist merklich höhere Dichte mit Werten über 2,0 g/cm3.

 

Abb. 3TS Hohlkanäle Topas Katzenaugen x40 Fov5.34mm logo Zeichenfläche 1Abb. 5: Kunststoffimitation für Bernstein mit deutlichen Schlieren. Foto: Q. Wang

 

Bereits bei makroskopischer Betrachtung sind oft Gießzapfen (Abb. 3) oder Gießnähte (Abb. 4) erkennbar. Weitere eindeutige Merkmale sind blasenförmige Hohlräume (Abb. 3) oder Schlieren (Abb. 5), die teilweise ebenfalls schon makroskopisch auffallen oder mit Hilfe von Lupe oder Mikroskop bestimmt werden können. Der Hitzetest mit einer heißen Nadel führt zumeist zu einem stechenden, „chemischen“ Geruch nach verbranntem Kunstharz. Eine Ausnahme bildet Galalith, bei dem ein Geruch nach verbrannter Milch erzeugt wird. Bei Ebonit entwickelt sich der stechende Geruch von verbranntem Gummi. Im Gegensatz zu den Kunststoffen entsteht beim Hitzetest organischer Substanzen, speziell Bernstein, ein aromatischer Harzgeruch (Weihrauchgeruch).

Eindeutige Erkennungsmerkmale können im gemmologischen Labor mit Hilfe der Infrarot- und Ramanspektroskopie bestimmt werden. Dies gilt insbesondere für mit Kunststoffen behandelte Edelsteine. Weiterhin können auch optische Reflexionsspektren diagnostische Hinweise auf einen Kunststoff erbringen.

 

 Tabelle Seite 1

 Tabelle Seite 2

 

Autor

Dr. Ulrich Henn, DGemG
© 2024

 

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